Pauline Luisa Krätzig
Freie Journalistin

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NZZaS Magazin 11/16

zur US-Präsidentschaftswahl 2016



Make America bake again!



Auf die Gefahr hin, dass wir hier die Spannung verderben. Aber es kann gut sein, dass der entscheidende Moment im Kampf ums Weisse Haus bereits vorüber ist. Schon im August veranstaltete die Heim- und Kochzeitschrift «Family Circle» den legendКren «Presidential Cookie Poll». Die Ehepartner der Präsidentschaftskandidaten gingen mit ihrem besten Keksrezept an den Start. Bill Clinton reichte das zweifache Gewinnerrezept seiner Frau ein. Melania Trump liebte es dezent und patriotisch, von ihr gab es Butterkekse in Sternform. Der demokratische «Chocolate Chip Cookie»? Oder der republikanische «Star Cookie»?



Bei Cookies wissen die Amerikaner genau, was sie wollen. Bevor es am 8. November ans Eingemachte geht, darf die Nation (seit 24 Backsaisons) aus dem Bauch heraus entscheiden. 2000 kickten Laura Bushs volksnahe «Texas Governor’s Mansion Cowboy Cookies» Tipper Gores poplige Ingwerkekse aus dem Rennen. 2012 wollte Amerika lieber Michelle Obamas politisch korrekte «White and Dark Chocolate Chip Cookies» als Ann Romneys bunte «M&M Cookies». Bisher gewann jeder Gatte einer Poll-Siegerin danach die Wahl ins Weisse Haus – ausser Barack Obama 2008, weil Michelle damals Amaretto, sprich Alkohol verwendet hatte. Die zukünftige First Lady entscheidet also die Wahl.

Stopp! Mal ehrlich: Welche Rolle spielt die First Lady eigentlich für Amerika – ausser KampfkЪchin und Präsidentenprophetin? Eigentlich hat die First Lady gar keine Funktion. Die US-Verfassung erwКhnt sie nicht einmal, gewählt wird sie nicht, Gehalt kriegt sie keines. Keine Legitimation, also auch keine Pflichten? Falsch. Heute ist die First Lady nicht mehr nur Gastgeberin im Weissen Haus, liebende Ehefrau und bestenfalls multiple Mutter – inoffiziell ist die «Flotus» (First Lady of the United States) viel mehr: «Little Mrs. Happy», «Mrs. Harmony», «Mrs. Charming» und «Mrs. Charity» – nicht zu vergessen «Fels» und Cheerleader des Präsidenten in allen Lebenslagen.

Dieses volle Pflichtprogramm der First Lady entwickelte sich erst über zweihundert Jahre. Deren Stellenwert war aber vom ersten Tag an gross. Wen wundert’s: Amerikas Präsident ist Regierungschef und Staatsoberhaupt, seine Lebensgefährtin teilt Bett und Tisch mit ihm – sofern er nicht ledig oder verwitwet ist. Die «pillow influence» der First Lady macht die Nation nervЪs: Pfuscht sie mit in der Politik oder nicht? [...]



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Pauline Luisa Krätzig
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