Pauline Luisa Krätzig
Freie Journalistin

Beate Uhse
„Ich bin eine Kauffrau, nicht Jesus“



Beate Rotermund-Uhses Tod kam überraschend. 81 Jahre war sie, eine Lungenentzündung streckte sie am 16. Juli 2001 in einer Klinik in St. Gallen nieder. Präsent war Beate Uhse danach immer noch. Denn ebenso akribisch wie sie  die Anfänge ihrer Unternehmensgeschichte in dicken, grauen Leitz-Ordnern dokumentiert und abgeheftet hatte, hatte sie ihr eigenes Ende geplant. Nach ihrer Beerdigung im kleinen Kreis sollte noch «ein fröhliches Fest» stattfinden, eine öffentliche Kondolenz in Flensburg, der Geburtsstätte ihres Imperiums, des grössten Erotik-Versands der Welt. Und so geschah am 3. August ab 15 Uhr Uhses letzter Wille, nach klaren Anweisungen: Shuttle-Busse beförderten mehr als 1000 Gäste auf Einladung der Firma ins «Deutsche Haus». Alle Anwesenden erlebten eine poppige Trauerfeier mit einem Jahrmarkt-Schaukelpferd, meterlangen Sonnenblumen-Gestecken und der Band Tennessee, die Beates Uhses Lieblingssongs spielte: «Country Road», «Mary Lou» und dann, gegen Ende, Freddy Mercurys «The Show must go on!». Am Eingang konnten die Gäste Beate-Uhse-Aktien kaufen. Sogar tot hielt diese Frau ihr Geschäft  am Laufen.

Der Name Beate Uhse weckt heute diverse Assoziationen: Manche denken sofort an schmuddelige Separees auf Autobahnraststätten, viele immer noch an die Eine, die dem verklemmten Nachkriegsdeutschland mit Slogans wie «Nicht immer nur hüh, auch mal hott» wieder Lust an der Lust machte; die zeigte, dass niemand mit seinen egal wie gearteten Bedürfnissen allein ist; und die mit ihrer unverhohlenen Gedächtnisstütze, dass die Lust nicht beim Erguss des Mannes oder in einer Schwangerschaft enden muss, die sexuelle Revolution lostrat. «Grande Dame der Erotik» («Die Welt»), «Mutter Courage des Tabubruchs» («Die Zeit»), «Marketenderin der Kissenschlachten» («Der Spiegel») – was wurde die Uhse nicht alles genannt. Sie selbst definierte ihre Rolle bescheidener: «Ich bin nicht Jesus, ich bin eine Kauffrau.» Sie wurde die einflussreichste Frau in einer männerdominierten, pikant-prekären Branche. Ihr Mut machte Karriere. Ihre Karriere macht heute noch Mut. [...]



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Pauline Luisa Krätzig
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