Pauline Luisa Krätzig
Freie Journalistin

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Sie will doch nur spielen 04/23


Interview mit Deutschlands erfolgreichster Gamerin auf Youtube Jasmin Sibel aka “Gnu”
 
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Liegt ihr auch mal wie Wale am Strand, im Urlaub?


Mein letzter Urlaub war vergangenen August, den nächsten plane ich im April, und ich möchte unbedingt im September nach Japan. Aber wenn ich freinehme, muss ich den Content für diese Zeit vorproduzieren, sitze die Wochen vor der Abreise bis drei, vier Uhr morgens am PC. Vor eineinhalb Jahren wurde ich schon im Flieger nach Kreta krank. Ich kann halt nicht einfach sagen: „Tschau, ich bin jetzt fünf Monate weg, gibt nix mehr zu sehen!“ Meine Community würde mir das verzeihen, aber der Algorithmus nicht. Gerade im Gaming ist es extrem, wenn du weniger postest, ich glaube, weil Gaming auf YouTube die meisten User hat. Als ich meinen Zweitkanal eröffnet habe, wusste ich, mein Hauptkanal muss jetzt leiden. Sobald ich von fünf Videos auf drei runtergegangen bin, wurden meine Videos sofort weniger angezeigt, das dauert dann wieder Monate, bis sich das bessert. Deshalb mache ich oft lieber gar keinen Urlaub.

Uff.


Ich weiß, ich sollte einen Mittelweg finden. Entweder andere Kollegen einspringen lassen, oder zumindest weniger hochladen. Aber ich bin echt besser geworden!

Wie denn?


Ich habe mir selbst „radikale Ehrlichkeit“ verschrieben. An manchen Tagen will ich auch nur rumliegen oder merke: „Heut’ geht nix. Bin heut’ nicht lustig.“ Ich erzähle online auch fast alles. Wenn meine Laune mies ist, das passiert mindestens einmal im Monat, weiß das jeder im Stream. Ich spiele den Leuten kein Happy Life vor. Und das wissen die Leute auch zu schätzen.

Das verlangt alles ganz schön viel Disziplin.


Und Durchhaltevermögen, vor allem am Anfang. Viele jammern nach einem Jahr: „Ich hab’ nur zehn Zuschauer.“ Das ist gut! Manche Kollegen, die heute groß sind, hatten ein Jahr lang null Zuschauer. Der Vorteil an einer kleinen Reichweite ist außerdem, dass du dir noch viel mehr Fehler erlauben kann, die du vor großem Publikum lieber nicht erleben willst.
Jeder hat sein eigenes Tempo, lasst euch nicht von anderen verunsichern. Als ich ein Jahr mit meinem Partner nach Australien gezogen bin, meinten auch angebliche Experten, das würde meiner Karriere als Content Creatorin schaden. Ich habe den Abstand aber gebraucht und auf mich gehört. Meine Abo-Zahlen sind stabil geblieben. Jeder hat sein eigenes Tempo. Und einige schießen nur deshalb an dir vorbei, weil sie von anderen gepusht werden. Egal, ich hab’s auch geschafft, ohne Connections und groß Ahnung vom Business, und obwohl ich die großzügigen Angebote männlicher Creator für Reichweite gegen Sex abgelehnt habe.

Bei dir klingt das so leicht: Augen zu und durchhalten!


Dass ich so gelassen bin, habe ich mir auch erarbeitet. Ich habe rechtzeitig damit angefangen, mir andere Standbeine aufzubauen, das vergessen die meisten. Das solltest du machen, wenn du gerade im Hype bist. Auch mit dem Wissen, dass nach jedem Hype immer ein Down kommt, das ist normal, auch das muss man aushalten. Als ich gemerkt habe, der Hauptkanal läuft richtig gut, habe ich einen Zweitkanal aufgemacht. Als der super lief, kam mein Drittkanal, dann Twitch, Instagram, Twitter, TikTok – so viele Standbeine, dass ich sicher sein konnte, dass ich in den nächsten Jahren gut über die Runden komme, mein Team bezahlen kann.

Dafür, dass du Strategiespiele nicht magst, bist du ziemlich zielstrebig.


Ich bin sehr ehrgeizig. Meine Eltern haben mich immer unterstützt, mir aber auch beigebracht: Nichts fliegt einem zu. Die Welt wartet nicht auf dich, du musst dich darin beweisen. Ich setze mir permanent neue Ziele, auf die ich hinarbeiten kann. Ich plane drei bis fünf Jahre in die Zukunft, wo ich mich sehe:  Habe ich dann Kinder, möchte ich neuen Content bringen oder einen neuen Kanal aufbauen, was gab's noch gar nicht...

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Pauline Luisa Krätzig
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